Von der Seele des „Weiten Landes“

Das Weinviertel – schon der Name ist Programm und Inhalt! Keine der österreichischen Weinregionen ist auch nur annähernd so groß wie das niederösterreichische Viertel unter dem Manhartsberg, nirgendwo gibt es so viele Winzer. Rund ein Drittel der gesamtösterreichischen Rebfläche nimmt dieses Gebiet ein, fast 10 000 Winzer leben und arbeiten hier.

 

„Das weite Land“ – so wird das Weinviertel in der Tourismuswerbung des öfteren genannt. Wer schon einmal mit dem Fahrrad durch die malerischen Rieden des Retzerlandes gefahren ist, wer im Süden schon einmal die Fasane durch die Weingärten huschen gesehen hat, wer schon einmal an einem Tisch vor einer Kellergasse im Veltlinerland den Sonnenuntergang herbeigetrunken hat, der weiß, dass dieser Name passt. „Das weite Land“ – so bezeichnete Schnitzler einst die Seele. Die Seele unseres hier besprochenen Landes ist jedenfalls der Wein.

 

Der „schlafende Riese“ ist hellwach! – Weinsorten

Knapp 16000 Hektar umfasst das Weinviertel – und nicht alle davon sind mit Grünem Veltliner bepflanzt!
Zwar nimmt diese Sorte mit 58 % noch immer den Löwenanteil der gesamten Rebfläche ein, doch der Weinviertler Sortenspiegel ist in den letzten Jahren sehr facettenreich geworden. Zweitwichtigste Sorte ist der Welschriesling (10 %), danach folgen der Müller-Thurgau (7 %), der besonders im Norden – hin zum mährischen Nachbarn – hervorragend gedeiht und die schlechte Nachrede mancher Weinbesserwisser keineswegs verdient, und der Weißburgunder (4 %). Erwähnenswert sind aber auch noch Rheinriesling (im Weinviertel gibt es eine Vielzahl hervorragender Vertreter dieser sogenannten „Königssorte“ von hohem internationalem Ruf) und Roter bzw. Frühroter Veltliner (Anlaufstelle -Nummer Eins hierfür ist das Gebiet rund um Hohenwarth).

Insgesamt dominiert in diesem Weinbaugebiet eindeutig der Weißwein, nämlich mit an die 13 000 Hektar.
Daraus soll man aber keine falschen Schlüsse ziehen: Auch wenn es vielleicht nicht immer klug ist, entgegen eigener Stärken nur wegen gewisser Trends und kurzfristiger Vorlieben der Konsumenten das Angebot komplett umzukrempeln, und auch wenn nicht jede Sorte – auch nicht jede rote – überall gleich gut wächst: Es wäre eine Beleidigung für die Weinviertler Winzer, würde man ihnen die Kunst des Rotweinkelterns absprechen. Im Gegenteil – es gibt zahllose Beispiele hochprämierter Roter „Made in Lower-Austria“, und manche Landstriche, wie zum Beispiel die „Rotweininsel“ Haugsdorf, sind geradezu prädestiniert für die Kultivierung dieser Weine.
Flächenmäßig relevant sind beim Rotwein drei Sorten: Blauer Portugieser (10 %), Zweigelt (7 %) und Blauburger (3 %).

 

DAC Grüner Veltliner – die Paradesorte des
Weinviertels

Doch noch einmal zurück zum Grünen Veltliner: Die Geschichte dieser Hauptsorte spiegelt sehr gut die Historie des ganzen Weinbaugebietes wider: Zuerst natürlich prägte diese östereichische Nationalsorte das ganze Gebiet in nachhaltiger Weise, dann kam es durch Überangebot, teilweise ungeschicktes Agieren seitens der Politik und neuer modischer Trends am Weinsektor zum Preisverfall der Trauben, und teilweise begann man sich beinahe für diese Paradesorte zu genieren (Unglaublich in Anbetracht der wahren Veltliner-Schätze, die diese Land in sich birgt).

Doch dann machte der „schlafende Riese“, wie das Weinviertel sehr zum Ärger der Einheimischen oft genannt wird, aus der vermeintlichen Not eine Tugend und kam bei der Entwicklung einer Gebietsleitsorte österreichweit als erstes Weinbaugebiet aus den Startlöchern: Stolz konnte man im Februar 2003 das DAC Grüner Veltliner präsentieren.

 

Von Kellergassen und Briefmarken

Man kann aber auch nicht vom Weinviertel zu sprechen ohne die Kellergassen zu erwähnen. Vielstrapaziert ist in diesem Zusammenhang die Metapher vom „Dorf ohne Rauchfänge“. Blickfänge für Besucher und Weinliebhaber bieten diese Kellergassen jedenfalls allemal. Eine der bemerkenswertesten Kellergassen ist sicher jene von Hadres, die längste Österreichs und wohl auch die längste der Welt. Sie dient sogar als Motiv einer Europa-Briefmarke. Dort in Hadres, aber auch an den unzähligen anderen schönen Flecken des Weinviertels läuft man selbst dann und wann Gefahr, von der sogenannten „Briefmarkenkrankheit“ befallen zu werden. Diese ist nicht sonderlich gefährlich – ihre Symptome: wenn man einmal feucht ist, bleibt man allzuleicht picken…

 

HISTORISCHES

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Der Großmugl, ein Fürstengrab aus später Bronze- oder früher Hallstattzeit (Foto: Bwag/Wikimedia)

Die Geschichte eines so großen Gebietes wie des Weinviertels ist natürlich geprägt von den jeweiligen Historien der verschiedenenen Orte. Diese werden von uns im Einzelnen an anderer Stelle ausführlich beschrieben. Es scheint, dass das Weinviertel der am längsten besiedelte Landstrich Niederösterreichs ist. Heute verfügt man über zahlreiche archäologische Funde aus der Jungsteinzeit, so etwa den „Kopf vom Schanzboden“ nahe Falkenstein, der aus der 6000 Jahre alten „Lengyel-Kultur“ erhalten blieb und zu den ältesten männlichen Plastiken überhaupt zählt (zu sehen im Stadtmuseum Poysdorf). Kulturhistorisch hochinteressant ist auch der Großmugel im heutigen Bezirk Korneuburg, ein Grabhügel der Hallstattkultur (rund 800 – 400 v. Chr.) mit einer Höhe von 16 und einem Durchmesser von 55 Metern. In Kleinhadersdorf findet man ein Gräberfeld der bandkeramischen Kultur.

 

Retz

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Auch die Geschichte des Weines wurde zu allererst von den Ballungsräumen wie Wien oder Krems bestimmt, früh erlangte in diesem Zusammenhang auch Retz große Bedeutung. Schon im 15. Jahrhundert war diese Stadt im Norden Niederösterreichs mit einem Weinhandelsprivileg ausgestattet, wodurch der Retzer Weinbau alsbald großen Reichtum und überregionale Bedeutung erlangte.

 

Platznot macht erfinderisch:
die Geburtstunde der Kellergassen

Im Spätmittelalter widmeten sich aber auch schon die Bauern anderer Gebiete (Poysdorf, Falkenstein) der Kultivierung von Weinreben. Man erkannte nämlich, dass man mit viel Fleiß durch den Weinbau bessere Erträge erzielen konnte als durch den Ackerbau. Während im Mittelalter die größeren Ortschaften unterkellert wurden (famoses Beispiel dafür ist natürlich Retz mit seinem kilometerlangen unterirdischen Kellersystem), verfügten die kleinen Bauerngehöfte über keine Tiefgeschoße. Da man aber Platz zur Lagerung brauchte, ließ man sich etwas einfallen, und so entstanden im 18. und 19. Jahrhundert die typischen und weltweit einzigartigen Kellergassen.

Spätestens um diese Zeit hob auch der „Grüne Veltliner„, der Ende des 17. Jahrhunderts erstmals Erwähnung fand, zu seinem unvergleichlichen Erfolgsrun an. Die Sorte, die außerhalb Österreichs kaum Bedeutung hat, wurde wegen ihrer klimatischen Anpassungsfähigkeit und hohen Ertragsfähigkeit sehr geschätzt. Hinzu kam (und kommt auch heute noch), dass die Grüne Veltliner-Trauben – bei entsprechend günstigen Entwicklungsmöglichkeiten – dennoch zumeist hochkarätige Weine garantieren.
Seltsam waren in vergangenen Jahrhunderten bisweilen die Behandlungspraktiken: Schwefeln war zwar schon ab 1700 üblich, jedoch versah man den Wein zusätzlich oft mit Kräutern. Der Schriftsteller Alfred Komarek weiß in seinem Buch „Tauchgänge im Grünen Meer“ sogar davon zu erzählen, dass man vor 1870 eine Schönung des Weines bisweilen auch mit dem Hinzufügen von Eiern samt Dotter erzielen wollte.

Grenzen offen, Zukunft offen?
Solchen Irrungen wurde nicht zuletzt durch bessere Ausbildung der Winzer in den neuen Weinbauschulen ein Riegel vorgeschoben.
So entstand 1893 die Weinbauschule in Retz, schon 20 Jahre zuvor wurde eine Schule in Feldsberg, dem heutigen Valtice in Mähren, gegründet. Leider brachten die Weltkrige und die Errichtung des Eisernen Vorhangs der wirtschaftlichen Entwicklung des Weinviertels einen großen Dämpfer, denn man war plötzlich abgeschnitten von den wichtigen Märkten Böhmens, Mährens und der Slowakei. Die EU-Erweiterung stellte den einstigen Zustand – wenn natürlich mit völlig anderen Umständen – wieder her. In jedem Falle wurde für das größte österreichische Weinbaugebiet wieder ein großes neues Kapitel aufgeschlagen.

 

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